Über Schlitten­hunde­rennen

Beschäftigt man sich mit der Entstehung der Hundeschlittenrennen, wird schnell klar, dass das der Stoff ist, aus dem Legenden, Mythen und Abenteuererzählungen erwachsen. Die Auseinandersetzung mit der Geschichte dieser Kultur, hilft dabei zu verstehen, welche Faszination von dieser Art der ursprünglichen Form des Tourens durch Wildnis und Natur bis heute ausgeht.

Mensch und Hund – seit Jahrtausenden gemeinsam unterwegs

Der genaue Zeitpunkt, wann Menschen zum ersten Mal Hunde zum Ziehen von Schlitten einsetzten, ist nicht bekannt. Bekannt ist aber, dass verschiedene indigene Völker Sibiriens Schlittenhunde zur Fortbewegung nutzten. Später – wahrscheinlich vor über 10 000 Jahren – überquerten einige, aus dem nördlichen Eurasien stammende, nomadisierende Volksgruppen die Beringstraße. Auf diesem Wege gelangten die Tiere nach Nordamerika. Die ältesten dort gefundenen und noch existierenden Beweise für Schlittenhundenutzung, wie zum Beispiel Teile von Schlitten, stammen aus dem Nordwesten Alaskas. Die von den Ureinwohnern Alaskas genutzten Hunde werden als große und starke Tiere mit relativ kurzen aber starken Beinen beschrieben. Aber hier variierten die Züchtungen stark zwischen den einzelnen Volksgruppen. So nutzten die indianischen Völker andere Hundetypen als zum Beispiel die Polareskimos.

Von der Hunde-Postkutsche zum Rennschlitten

Schon vor dem großen Goldrausch nutzten die im 18. Jahrhundert in Alaska eingetroffenen Weißen Schlittenhunde als Fortbewegungsmittel und für den Transport von Lasten und Gütern. Auch zur Jagd und zum Fallenstellen im Winter wurde der Hundeschlitten genutzt. Mit Einsetzen des Goldfiebers am Ende des 19. Jahrhunderts wurden Schlittenhunde fast unbezahlbar. Sie entwickelten sich zum wichtigsten Transportmittel für alle möglichen Arten von Ausrüstung, Essen und auch der Post. Schon zu diesem Zeitpunkt wurden in einzelnen Goldgräberstädten lokale Rennen veranstaltet, in denen sich die besten Hundeschlittenfahrer messen konnten. Feste Regeln, Preisgelder oder extra angelegte Trails* gab es jedoch nicht.

Dies sollte sich am Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts mit den in Nome ins Leben gerufenen „All-Alaska Sweepstakes“ ändern. Die an der Nordwestküste Alaskas gelegene ehemalige Goldgräberhochburg, beherbergte damals einige der besten Hundeschlittenfahrer. Auch hier wurden schon regelmäßig kleinere Rennen ausgetragen. 1908 veranstaltete der zur Etablierung und Weiterentwicklung des Hundeschlittensports gegründete „Nome Kennel Club“ erstmalig ein großes, durchorganisiertes Rennen. Das „All-Alaska Sweepstakes“ führte auf einem Rundkurs von 408 Meilen durch die weiße Wildnis Alaskas. Die Veranstaltung weckte großes Interesse bei der Bevölkerung Nomes und wurde ein Riesenerfolg. Zehn Teams traten an und die Besten konnten sich ein Preisgeld von insgesamt 10.000 $ teilen. Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges 1918 wurde das Rennen nun jährlich ausgetragen.

Wettlauf durch Alaska: auf Leben und Tod

Ein Name der auch immer wieder in Verbindung mit den „Sweepstakes“ fällt, ist Leonhard Sepalla. Schon bei seiner zweiten Teilnahme konnte der in Norwegen geborene Musher mit seinen Sibirischen Huskies das Rennen für sich entscheiden und siegte weiterhin in den beiden darauffolgenden Rennen. Doch es war eine andere große Tat die ihn zur Legende werden ließ. Als im Winter 1925 in Nome die Diphtherie ausbrach und der wenig vorhandene und alte Impfstoff zur Neige zu gehen drohte, konnte nur noch frischer Impfstoff eine Ausbreitung der gefährlichen Krankheit verhindern. Das nächste verfügbare Serum aber befand sich im weit entfernten Anchorage. Wie also sollte man das dringend benötigte Arzneimittel transportieren? Buschflugzeuge waren zu dieser Zeit noch zu unsicher und die Risiken, besonders im Winter viel zu groß. Also entschied man sich, den Impfstoff so weit wie möglich per Zug in Richtung Nome zu bringen. Zeitgleich wurde ein Team von zwanzig Hundeschlittenfahrern zusammengestellt, welche in Form einer Stafette die noch verbleibenden 674 Meilen (ca.1084 km!) nach Nome überbrücken sollten.

Das „Great Race of Mercy to Nome“ startete am Abend des 27. Januar 1925. Schneestürme und Tiefsttemperaturen von –50°C sowie der enorme Zeitdruck machten das Unternehmen von Beginn an zu einem Wettkampf auf Leben und Tod. Der damals 47-jährige Sepalla, dessen Huskies zum Zeitpunkt der Übernahme des Serums schon 170 Meilen in den Beinen hatten, bewältigte das mit 91 Meilen längste Teilstück der Wegstrecke und fuhr das wahrscheinlich schwierigste Rennen seines Lebens. Nach 5 1/2 strapaziösen Tagen, in denen die Teilnehmer – Menschen wie Hunde – schwer mit Erfrierungen zu kämpfen hatten, kam das Serum am Morgen des 2. Februar 1925 unversehrt in Nome an und konnte dadurch unzähligen Menschen das Leben retten.

In den folgenden Jahrzehnten wurden Hundeschlitten mehr und mehr durch Flugzeuge und später vor allem durch Schneemobile verdrängt. Trotzdem entwickelten und etablierten sich in dieser Zeit zwei weitere wichtige Hundeschlittenrennen: Das „Fur Rendezvous“ in Anchorage und die „North American Championships“ in Fairbanks. Noch heute sind diese, jeweils über drei Tage ausgetragenen Wettkämpfe, die wichtigsten Sprintrennen der Welt.

Iditarod –“The Last Great Race On Earth”

Was jedoch fehlte, war ein großes Rennen über wirklich lange Distanzen. Dies fiel auch Joe Redington, einem in Alaska lebenden Hundeschlittenfahrer und Jagdführer, auf. Mit dem Ziel, das größte Hundeschlittenrennen aller Zeiten zu veranstalten, und all seiner Kritiker zum Trotze, organisierte er 1973 das erste „Iditarod Trail Race“. Dieses über 1100 Meilen (ca.1.800 km) lange Rennen folgt zum großen Teile einem aus der Goldgräberzeit stammenden Post- und Versorgungstrail. 50.000 Dollar Preisgeld lockten im März ’73 vierunddreißig Teams an den Start; doch nur zwanzig schafften es bis ins Ziel. Trotz aller anfänglichen Schwierigkeiten, die ein Rennen über so große Entfernungen mit sich bringt, hatte Redington sich seinen Traum erfüllt und das „Iditarod“ entwickelte sich in den kommenden Jahren immer weiter. Heute ist es nicht nur das größte und bestorganisierteste, sondern auch das am strengsten kontrollierte Hundeschlittenrennen. Strikte Regeln, festgelegte Ruhezeiten und medizinische Überwachung durch die Tierärzte garantieren bestmögliche Sicherheit der vierbeinigen Athleten.

Etwas kürzer, aber nicht weniger faszinierend als das „Iditarod“, ist das zwischen Fairbanks/Alaska und Whitehorse/Kanada verlaufende „Yukon Quest“. Auch dieses Rennen wird jährlich ausgetragen und ist eines der Highlights in der Welt der Hundeschlittenrennen. Zu den wichtigsten Europäischen Rennen zählen zweifelsohne der „Finnmarkslöpet“ und der „Femundlöpet“ in Norwegen.

Wichtig wäre noch zu erwähnen, dass man die über wenige Kilometer, dafür aber in hohem Tempo gefahrenen Sprintrennen natürlich nicht mit den über 1.000 Kilometer gefahrenen Long-Distance-Rennen vergleichen kann. Und so unterschiedlich diese Rennen sind, so unterschiedlich sind auch oft die partizipierenden Hunde. Ob kurzhaariger Jagdhund oder langhaariges Fellmonster, ob 15 oder 35 kg Körpergewicht – alle haben ihr spezielles Einsatzgebiet.

*Um mit einem Hundeschlittengespann bei Meter hohem Schnee fahren zu können, benötigt man einen Trail. Gemeint ist nichts anderes als ein in den Schnee getretener Pfad, der früher ausschließlich mit Schneeschuhen angelegt wurde. Nachfolgende Hundeschlittengespanne verdichteten diesen und machten ihn immer leichter und schneller befahrbar. Heute werden Trails oft mit Motorschlitten angelegt.